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Barrierefreie Gesprächskultur

Mann mit Hörgerät spricht und gestikuliert.

(Quelle: audifon)

Bei Gesprächen müssen die Bedürfnisse von Menschen mit Hörschädigung beachtet werden. Langsames, deutliches Sprechen und ausreichende Pausen im Gesprächsfluss erleichtern hörgeschädigten Personen das Verständnis.

Kräftezehrende Kommunikation

Sprachinhalte zu verstehen, stellt für Personen mit Hörbeeinträchtigung nicht selten eine kräftezehrende, anstrengende Leistung dar. Ein Grund hierfür ist, dass bei verringertem Hörvermögen oft auch die Fähigkeit zur Filterung von Störschall eingeschränkt ist. Störschall ist im Alltag in praktisch jeder Situation vorhanden: Verkehrslärm, Gespräche von Kollegen, Geräusche von Maschinen, wie z. B. Kopierer, können Ausgangsquelle sein. Personen mit Hörschädigung müssen sich sehr anstrengen, um sich auf Sprache zu konzentrieren und Störschall auszublenden.

Schlecht hörbare Sprachanteile

Bestimmte Sprachanteile können bei Hörschädigung vom Gehör überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden. Hiervon betroffen sind oft die für die Wortbildung wichtigen Zisch- und Explosivlaute wie k, p, st, t, v und z. Folge ist, dass Wortbedeutungen und die Bedeutung ganzer Sätze kombiniert werden müssen – und zwar während der normalhörende Sprecher sie zügig und ohne größere Pausen spricht.

Die Kraft für diese anstrengenden Hör-Leistungen, die für Normalhörende kaum nachvollziehbar und unsichtbar sind, ist begrenzt. Bei der Planung der Gesprächszeit sollte dies berücksichtigt werden.

Visuelle Ressourcen für die Kommunikation

Gerade bei höhergradigen Hörbeeinträchtigungen stützen sich betroffene Personen auf visuelle Ressourcen wie Mimik, Gestik und Mundbild von Gesprächspartnern. Dies stellt für Personen mit Hörproblemen eine wichtige kommunikative Ressource dar. Z. B. sind die emotionalen Informationsinhalte von Stimme und Sprachmelodie – Stimme und Sprechweise können beispielsweise warnend, wütend, weinerlich oder lustig sein – für hörbeeinträchtigte Personen oft nur durch Beobachtung von Mimik und Gestik zugänglich.

Durch das sogenannte "Absehen" vom Mundbild von Sprechenden können bis zu 30 % der vom Menschen gebildeten Laute entschlüsselt werden. Hörbeeinträchtigte Personen sind zum Verstehen von Sprachinhalten auf eine genaue Beobachtung des Mundbildes angewiesen.

Gebärden unterstützt Kommunikation

Um barrierefreie Gesprächsführung zu gewährleisten, kann bei hochgradiger Schwerhörigkeit das Erlernen von lautsprachbegleitenden oder lautsprachunterstützenden Gebärden angesagt sein. Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) unterstützen oder ersetzen die lautsprachliche Kommunikation für schwerhörige und ertaubte Menschen. Die Inhalte der Lautsprache werden simultan zum Sprachverlauf in die Zeichen und Gesten der Gebärden übersetzt. Auf Grund der Komplexität und des Aufwandes von lautsprachbegleitenden Gebärden werden manchmal auch die einfacheren lautsprachunterstützenden Gebärden eingesetzt. Letztere verzichten auf die Darstellung von grammatikalischen Konstruktionen und visualisieren stattdessen nur ausgewählte Inhalte von Lautsprache.

Im Folgenden finden normalhörende und hörbeeinträchtigte Gesprächsteilnehmer Hinweise für eine barrierefreie Kommunikation.

Checkliste für normalhörende Gesprächsteilnehmer

  • Sprechweise beachten: Genügend langsam, deutlich und laut sprechen. Nicht unnatürlich, übertrieben laut und deutlich sprechen! Dialekt vermeiden.
  • Natürliche Mimik und Gestik zulassen: Mimik und Gestik erleichtern das Verständnis von Gesprächsinhalten.
  • Satzbau beachten: Nicht lange verschachtelte Satzkonstruktionen wählen, sondern kurz und prägnant formulieren. Fremdwörter vermeiden.
  • Mundbild präsentieren: Nicht Hand vor den Mund halten beim Sprechen, wenn möglich der Person mit Hörbeeinträchtigung zugewendet sprechen. Auch Bärte, Essen, Zigaretten u. ä., die den Blick auf das Mundbild einschränken, sind für Personen mit Hörbeeinträchtigung oft hinderlich!
  • Verständniskontrolle: Von Zeit zu Zeit durch gezieltes Nachfragen sicherstellen, dass Inhalte richtig verstanden wurden.
  • Zeitmanagement: Genügend Zeit für Gespräche mit hörbeeinträchtigten Personen einplanen. Realistische Dauer für Gespräche einplanen: für hörbeeinträchtigte Personen sind Gespräche anstrengend und verlangen ihnen höchste Konzentrationsleistung ab. Keine Gespräche über mehrere Stunden führen oder zumindest durch technische Hilfen und Dienstleistungen Kommunikation unterstützen.
  • Schriftliche Unterstützung: Wichtige Daten wie Namen, Adressen können auch aufgeschrieben werden, da hier das Risiko des Falschverstehens hoch ist.
  • Technische Hilfsmittel und Dienstleistungen einsetzen: Wenn möglich, mobile Sprachübertragungsanlagen nutzen und persönliche Kommunikationsunterstützung heranziehen.
  • Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) oder lautsprachunterstützende Gebärden erlernen und einsetzen.

Checkliste für hörbeeinträchtigte Gesprächsteilnehmer

  • Hörschädigung nicht verstecken: Personen mit Hörschädigung sollten Bedürfnisse offen ansprechen und Hinweise geben, wie Gespräche für sie leichter zu führen sind. Dazu nützlich: Hörgeräte sichtbar tragen, macht Gesprächspartner auf Hörbeeinträchtigung  aufmerksam.
  • Gutes Beispiel geben: Selbst mit gutem Beispiel vorangehen, selber langsam und deutlich sprechen!
  • Missverständnisse klären: Nicht Verstehen vortäuschen, wenn Unsicherheit besteht.
  • Technische Hilfsmittel einsetzen: Nicht nur Hörgeräte, sondern auch ergänzende technische Hilfsmittel wie mobile Sprachübertragungsanlagen erleichtern das Führen von Gesprächen.
  • Absehen lernen: 30 % der Sprechinhalte können vom Mundbild abgesehen werden. Dies unterstützt Kommunikation.
  • Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) oder lautsprachunterstützende Gebärden erlernen und einsetzen.

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