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Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW)

Touchscreen mit Text "Dieser Aufzug ist mit einem hörbehindertengerechten Aufzugsystem ausgestattet"

(Quelle: Telegärtner Elektronik GmbH)

Aufzugnotrufsystem für Menschen mit Hörbehinderung

In Deutschland gibt es schätzungsweise 800.000 Personenaufzüge. Alle müssen – geregelt durch die sogenannte Aufzugsrichtlinie 95/16/EG – über ein Kommunikationssystem verfügen, das eine ständige Verbindung mit einem rasch einsatzbereiten Notdienst ermöglicht.

Doch wie barrierefrei sind diese Notrufsysteme für höreingeschränkte Menschen? Aufzugnotrufsysteme arbeiten bisher ausschließlich sprachbasiert: Wird die Notruftaste gedrückt, meldet sich eine Stimme aus der Leitstelle. Nun kann über benötigte Hilfe gesprochen werden. Gehörlose oder hochgradig schwerhörige Menschen können diese Notrufsysteme jedoch nicht in Anspruch nehmen.

Neues Notrufsystem mit Touchscreen-Bedienung

Ein neues, visuelles Aufzugnotrufsystem per Touchscreen-Bedienung schafft Abhilfe und sorgt zukünftig für barrierefreie Kommunikation und umfassenden Sicherheitsservice. Das Projekt wurde vom BLB NRW initiiert und vom LWL-Integrationsamt Westfalen fachlich und finanziell unterstützt. Nach einer knapp zweijährigen Entwicklungsphase, an der auch höreingeschränkte Menschen beteiligt waren, ist das Aufzugnotrufsystem der Telegärtner Elektronik GmbH und der ThyssenKrupp Aufzüge GmbH nun einsetzbar.

Wie funktioniert die Technologie?

Im Falle einer Notlage wird, wie gehabt, der Notrufknopf gedrückt. Die zuständige Leitstelle nimmt Kontakt zu der in der Aufzugkabine eingeschlossenen Person auf. Falls der Kontakt über die sprachbasierte Anlage scheitert, wird über eine geschützte Mobilfunkverbindung das visuelle Notrufsystem aktiviert. Auf dem in der Aufzugkabine befindlichen Bildschirm erscheint die Information “Notruf erkannt, bitte warten!“. Nun können prägnante, einfache Fragen der Leitstelle über berührungsempfindliche Bedienfelder auf dem Touchscreen mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Schnell kann so auch mit schwerhörigen oder gehörlosen Personen geklärt werden, ob ein medizinischer Notfall oder eine technische Störung vorliegt und ob entsprechende Rettungs- oder Befreiungsmaßnahmen koordiniert werden müssen. Auch Fremdsprachler profitieren von der Technologie, da über den Touchscreen in aktuell vier verschiedenen Sprachen kommuniziert werden kann.

Sollte auch über das visuelle Notrufsystem keine Kontaktaufnahme möglich sein, nimmt eine in der Decke des Fahrstuhls installierte Kamera ein Einzelbild auf. Der Verantwortliche in der Leitstelle kann sehen, ob eine Person bewusstlos oder verletzt am Boden liegt oder ob es sich um einen sogenannten Missbrauch des Notrufsystems handelt. Alle Kommunikationsschritte – auch die Aufnahme in die Aufzugkabine – werden bis zum Abschluss des Rettungsvorgangs dokumentiert und im Anschluss im Einklang mit den Datenschutzbestimmungen gelöscht.

Willkommener Nebeneffekt: Unternehmen können das Display außerhalb des Notrufbetriebs für die eigene Außendarstellung nutzen und das Logo oder werbewirksame Filme präsentieren.

Wie kann der Um- oder Einbau angegangen werden?

"Grundsätzlich kann jeder Aufzug mit der barrierefreien Anlage nachgerüstet oder neu installiert werden", sagt Peter Matthes von der Firma Telegärtner Elektronik. Der Touchscreen sollte allerdings nicht zu hoch positioniert werden, um die Zugänglichkeit auch für Rollstuhlfahrer oder Kinder zu gewährleisten.
Zur Finanzierung erklärt Frank Schrapper vom Integrationsamt Westfalen: „Der Ein- oder Umbau kann unter Umständen vom zuständigen Integrationsamt oder den Rehabilitationsträgern bezuschusst werden. Dies muss im Einzelfall auf Antrag geprüft werden.“ Das System soll aktuell rund 3.000 Euro (inklusive Leitstellen-Software) kosten und kann prinzipiell über jeden Hersteller, insbesondere über den Kooperationspartner ThyssenKrupp Aufzüge GmbH, bestellt werden. Für die Betreiber und Beschäftigten von Leitstellen bietet die Firma Telegärtner Elektronik GmbH kostenfreie Schulungen und eine stets telefonisch erreichbare Hotline an.

Telegärtner Elektronik GmbH (Ansprechpartner Peter Matthes)

Ingenieur-Fachdienst des LWL-Integrationsamtes Westfalen (Ansprechpartner Frank Schrapper)