OTTO

Treffen zum Erfahrungsaustausch schwerhöriger Beschäftigter

Für sein Engagement im Bereich Gesundheit und Soziales ist der Online-Händler OTTO, ein Unternehmen der weltweit tätigen Otto Group, längst bekannt. So wurde der Konzern für seine Vorreiterrolle in Sachen Gesundheitsförderung und Stressprävention Ende 2012 mit dem deutschen Corporate Health Award ausgezeichnet.

Auch zu dem Thema „Schwerhörigkeit im Unternehmen“ gibt es bei OTTO ein Angebot, das nachahmenswert erscheint. So lädt die Schwerbehindertenvertretung zu Treffen zum Erfahrungsaustausch schwerhöriger Beschäftigter ein. Diese Treffen mit dem Titel “Hörschädigung? …und die Wege zum Verstehen!“ finden seit 2010 einmal jährlich statt und dienen neben dem Erfahrungsaustausch auch der Wissenserweiterung zum Thema Höreinschränkung.

Wie kam es dazu?

Die Idee hierfür kam Bettina Kringel von der Schwerbehindertenvertretung nach einer Schwerbehindertenversammlung. Zu diesem Anlass werden Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Kollegen und Kolleginnen standardmäßig hinzugezogen. Im Anschluss an die Sitzung teilte eine Kollegin der Schwerbehindertenvertreterin mit, dass nicht nur hochgradig schwerhörige oder gehörlose Kollegen von den Dolmetschern profitieren, sondern dass auch sie als Hörgeräteträgerin dieses als unterstützend empfindet.

Für die Schwerbehindertenvertretung wurde deutlich, dass es noch andere Kolleginnen und Kollegen gibt, die mit ihrer Höreinschränkung wenig beachtet werden und über deren Anforderungen wenig bekannt ist. So entstand die Idee, diese Kolleginnen und Kollegen im Austausch zu unterstützen und mehr über die entsprechenden Anforderungen zu erfahren. Im August 2010 lud Bettina Kringel zu einem ersten Treffen zum Thema „Hörschädigung für Betroffene und Interessierte“ ein.

Wie wird das Angebot bekannt gemacht?

Die Treffen werden über das „ottonet“, dem Intranet des Unternehmens, bekannt gemacht. Außerdem wird die Einladung  an den „Weißen Brettern“ ausgehängt. Inzwischen werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der letzten Veranstaltungen per E-Mail persönlich eingeladen. Die Interessenten melden sich dann bei der Schwerbehindertenvertretung an.

Wie laufen die Treffen ab?

Die Treffen zum Erfahrungsaustausch werden nach Feierabend in einem besonders ruhigen Besprechungsraum des Unternehmens durchgeführt und dauern ca. zwei Stunden. Bei dem ersten Treffen beschlossen die Beteiligten, dass je nach Bedarf auch externe Experten hinzugezogen werden sollten, um über Fachthemen zu informieren. So hielten in den folgenden Treffen zunächst Referenten einen Vortrag, im Anschluss daran wurde gemeinsam diskutiert.

Welche Themen gab es in der Vergangenheit?

Die Themen und Referenten werden im Vorfeld gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgesprochen bzw. per E-Mail ausgetauscht. Bettina Kringel und ihre Stellvertreterin Petra Böttcher laden daraufhin die Referenten ein.

Beispiele aus den vergangenen Sitzungen:

  • Ein Audiologe informierte zum Thema „Hörgeräte und Mikroport-Anlage“.
  • Über die Antragstellung zur Kostenübernahme von Hörgeräten und Hilfsmitteln berichtete eine Vertreterin des Bundes der Schwerhörigen e.V.
  • Über den selbstbewussten Umgang mit Hörbehinderung, über die häufig zu hoch gesteckten Erwartungen an Hörgeräte sowie über Möglichkeiten der Rehabilitation informierte das Reha-Zentrum Rendsburg.

Themen, die im Austausch erörtert wurden:

  • Erfahrungen und Schwierigkeiten in der Kommunikation vor allem in beruflichen Situationen
  • Kommunikative Verständigungsmöglichkeiten
  • Techniken wie Mundablesen
  • Gebärdensprache
  • Feststellung einer Behinderung
  • Antragstellung
  • Rehabilitations- und Fördermaßnahmen
  • Wie ist es, selbstsicher mit der Hörschädigung umzugehen?
  • Was kann ich für eine aktive Auseinandersetzung mit meiner Lebens- und Arbeitswelt tun?
  • Wie kann ich die Verständigung verbessern?
  • Was könnten wir bei OTTO verbessern?

Diskutiert wird unter dem Motto:
"Mit Hörschädigung - ... ein ganz "normales" Leben! - ... mutig aufeinander zugehen!"

Welche (positiven) Auswirkungen haben die Treffen?

Dass die Maßnahme auf Interesse stößt, zeigt schon die gestiegene Teilnehmerzahl: während bei der ersten Sitzung fünf Teilnehmer gezählt werden konnten, lagen beim dritten Treffen 15 Anmeldungen vor.

Auf die Fragen, ob die Veranstaltungen Veränderungen bewirkt haben und wenn ja, welche, antwortet die stellvertretende Schwerbehindertenvertreterin Petra Böttcher: „Sie schaffen Kontakt und Austausch unter den schwerhörigen Kollegen. So können etwa Tipps in punkto Hörgeräte oder andere Hilfsmittel ausgetauscht werden.“ Bettina Kringel ergänzt: „Auch werden auf diese Weise die Angebote der Schwerbehindertenvertretung bekannt gemacht. Die Kollegen erfahren, wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen. Und auch für uns selbst stellen die Treffen eine Weiterbildung dar. Das Erlernte fließt dann wieder in die Beratung ein." Es gibt auch ganz konkrete Ergebnisse: so haben einige Teilnehmer nach den Treffen einen Erstantrag für die Feststellung der Hörschädigung als Behinderung gestellt. Eine Kollegin hat als Vorreiterin eine Reha im Rendsburger Institut für hörgeschädigte Menschen durchgeführt. Der anschließende Erfahrungsbericht hat dann wiederum neue Aspekte aufgeworfen. Wichtig war auch die Ermutigung für alle Teilnehmer/innen, in ihren Abteilungen offener mit dem Thema umzugehen, etwa Kollegen/innen in Abteilungsrunden zu bitten, nacheinander zu sprechen.

Durch den Austausch werden auch gemeinsame Probleme aufgedeckt, so z. B., dass die Kommunikation in der lauten Kantine für viele sehr schwierig ist. Schnell war man sich aber einig, dass die Einrichtung eines „stillen“ Bereichs für Beschäftigte mit Höreinschränkungen eher stigmatisierend wäre und eine Zwangsgemeinschaft nicht gewollt ist. Die meisten gehen mit Kollegen/innen zum Essen.

Was möchte Bettina Kringel im Hinblick auf das Thema Schwerhörigkeit noch erreichen?

„Für mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber Menschen mit Behinderung sorgen. Hierzu gehört zum Beispiel die Frage: Wie verhalte ich mich gegenüber Hörgeräteträgern richtig? Um das Thema ins Bewusstsein zu rufen, kann man auch Hinweise auf Betriebsversammlungen an die Allgemeinheit geben. Und etwa erwähnen, dass wir selbstverständlich wieder eine Ringschleife für die Hörgeräteträger installiert haben“, sagt Bettina Kringel.

Aber es gibt auch eine ganz konkrete Planung: als nächstes sollen Veranstaltungsräume durch Funkanlagen für schwerhörige Beschäftigte barrierefrei gestaltet werden.

Betriebliche Ansprechpartnerin:

Bettina Kringel
Schwerbehindertenvertretung
E-Mail: bettina.kringel(at)otto.de

Olaf Biemann vom Reha-Zentrum für Hörgeschädigte in Rendsburg referiert

Olaf Biemann vom Reha-Zentrum für Hörgeschädigte in Rendsburg referiert